Über Jahre hat sich in Deutschland branchenübergreifend ein Fachkräftemangel ausgebreitet, der mittlerweile zu den größten Herausforderungen oder gar Bedrohungen für unsere Wirtschaft, aber auch ganz grundlegende Bereiche unserer Gesellschaft geworden ist.
Der Eintritt der geburtsstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre in den Ruhestand, aber auch durch den Wegfall von ausländischen Arbeitskräften, die nach der Covid-19-Pandemie teils nicht zu uns zurückgekommen sind, steht mittlerweile einem großen Nachwuchsmangel gegenüber.
Schon längst können die neu ausgebildeten Fachkräfte den Weggang bestehender Kräfte nicht mehr voll kompensieren.
Pflege stark von Fachkräftemangel getroffen
Ganz besonders betrifft dies, unter anderem, den Gesundheitssektor, insbesondere die Pflege. Hier kommen zum immer größeren Arbeitspensum auch andere Faktoren, wie Schichtarbeit und relativ geringe Bezahlung hinzu, die dazu führen, dass Fachkräfte gar auf andere Berufe umschulen.
Von den genannten Entwicklungen ist auch Oberbayern stark betroffen.
Dem entgegenzuwirken ist eine Herausforderung der sich die Branche Gesundheit und Pflege ganzheitlich stellen muss. Denn nur wenn Träger und Betreiber, stationäre und ambulante Einrichtungen und Dienste, große Kliniken bis Kleinunternehmer, Beschäftigte und auch die Politik an einem Strang ziehen, kann Abhilfe verschafft werden.
Auch wenn vor allem während der Pandemie die Wertschätzung der Gesundheits- und Pflegeberufe zugenommen hat, reicht dies allein nicht. Ebenso sind finanzielle Anreize nicht die Lösung der Gesamtproblematik.
Vielmehr bedarf es ganzheitlicher Ansätze, die über die gehaltlichen Aspekte hinaus gehen. Hierbei geht es neben fairer Bezahlung zum Beispiel um flexiblere Arbeitszeitmodelle, bessere Entwicklungsmöglichkeiten, Entlastung des Arbeitspensums und vor allem attraktive Rahmenbedingungen. Hierzu zählen zum Beispiel betriebliche Unterstützung bei der Mobilität, Wohnangeboten und anderen Zusatzleistungen.
Doch auch wenn durch verbesserte Rahmenbedingungen mehr dringend benötigte Pflegekräfte in den Betrieben gehalten werden können, muss auch weit vorher angesetzt werden: bei den Fachkräften von morgen.
Attraktive Berufsbildung gegen Fachkräftemangel
Wie können junge Menschen für Gesundheits- und Pflegeberufe begeistert werden? Wie muss eine attraktive Ausbildung aussehen? Und wie können die frisch ausgebildeten Fachkräfte in der Region gehalten werden?
Dies sind die zentralen Fragen, denen sich die Branche aber auch die Politik stellen muss.
In Oberbayern muss sich vor allem der Bezirk mit diesem Thema auseinandersetzen. Als überregionaler Träger der Sozialhilfe auf der einen und größter Träger für Leistungen und Angebote für seelische Erkrankungen auf der anderen Seite ist er direkt von der Problematik betroffen.
Dass der Bezirk Oberbayern über sein Kommunalunternehmen Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo) selbst stationäre und ambulante Leistungen in verschiedenen Bereichen von, unter anderem, Psychiatrie und Psychotherapie über Neurologie bis hin zu Sozialpädiatrie und Suchttherapie erbringt, kann und muss auch als Chance verstanden werden.
Nicht nur beschäftigt das kbo über 7.000 Fachkräfte, die weit über 130.000 Patienten in verschiedenen Formen von Diagnostik und Therapie versorgen, sondern bildet auch die Fachkräfte von morgen aus.
Derzeit werden rund 400 Menschen an den kbo-Kliniken angegliederten Berufsfachschulen für Gesundheit und Pflege ausgebildet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier naheliegend auf einem hohen Praxisanteil. Auch wird ein duales, wissenschaftliches, aber dennoch praxisorientiertes Bachelorstudium für angehende Pfleger angeboten.
Schulabgänger müssen mit attraktiven Bedingungen gezielt auf die Gesundheits- und Pflegeberufe aufmerksam gemacht und angeworben werden.
Berufsbild mit Zukunft
Nicht wenige Jugendliche und junge Erwachsene würden gerne einen Beruf erlernen, in dem sie mit Menschen arbeiten können, schrecken jedoch oft vor den Rahmenbedingungen in der Pflege zurück.
Doch genau hier muss angesetzt werden. Bereits vor Ausbildungsbeginn muss den jungen angehenden Fachkräften nähergebracht werden, dass es sich um ein modernes Berufsbild mit Zukunft handelt. Ein Berufsbild bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht.
Und dies muss bereits in der Ausbildung im Fokus stehen. Neben den theoretischen Inhalten der Ausbildung müssen die Praxisinhalte weiter diversifiziert werden.
So bedarf es Kooperationen nicht nur mit den Kliniken des Bezirks Oberbayern, sondern auch mit den im Bereich Pflege tätigen Einrichtungen und Dienstleistern der freien Wirtschaft, sowie Forschungseinrichtungen.
Gepaart mit hochwertiger Ausstattung auf dem neuesten Stand der Technik und Digitalisierung können die Berufsfachschulen für Gesundheit und Pflege zu einem Labor der Zukunft des Berufsfeldes werden.
Neue Versorgungsmethoden und Praktiken können zum einen theoretisch erarbeitet, zum anderen aber auch praktisch in Modellversuchen und Pilotprojekten angewandt und anschließend bewertet werden.
Wie kann Bürokratie verringert werden? Wie können Abläufe effizienter gestaltet werden, um für Entlastung des Personals zu sorgen? Welche neuen Behandlungsmethoden oder Versorgungsmodelle haben einen Mehrwert und in welcher Form könnten diese implementiert werden? Wie kann Pflege trotz gleichbleibender Kosten individueller gestrickt werden?
Dies sind nur einige wenige, aber grundlegende Fragestellungen, mit denen sich die Auszubildenden und Studierenden auseinandersetzen können.
So werden die Auszubildenden selbst zum aktiven Treiber des Wandels und tragen nachhaltig zu verbesserten Rahmenbedingungen und einem positiven Wandel des jeweiligen Berufsbildes bei.
Gleichzeitig profitieren kbo und viele andere kleine und große Träger, Betreiber und Dienstleister in der Region von hoch qualifizierten und motivierten Fachkräften, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben. Ganz zu schweigen von den tausenden Patienten und Pflegebedürftigen Menschen in der Region, die durch veränderte Rahmenbedingen wieder vollkommen in den Mittelpunkt rücken können.
Der Bezirk Oberbayern seinerseits kann durch Ergreifen dieser Chancen selbst zu einer Vorzeigeregion in Bayern und Deutschland werden.
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